#femtember 2021: Feminismus, Rassismus und soziale Ungleichheit

Die feministische Bewegung setzt sich für die Rechte der Frauen ein und das ist wichtig. Doch viele Frauen werden nicht nur diskriminiert, weil sie Frauen sind, sondern zusätzlich auch weil sie eine andere Hautfarbe oder Herkunft haben oder weil sie aus einer ärmeren sozialen Schicht stammen. Feminismus muss deshalb auch gegen Rassismus und soziale Ungleichheit kämpfen und die Perspektiven von BiPoC-Frauen miteinbeziehen. Unter meinen #femtember-Büchern gab es zwei, die das besonders gut machen, nämlich Die Teetrinkerin von Christina Brudereck und Girl, Woman, Other von Bernadine Evaristo.

Das Patriarchat

Die Teetrinkerin handelt von einer Menschenrechts-Anwältin in Indien. Schon allein deshalb ist das Buch im Kern feministisch, denn es stellt eine starke Frau ins Zentrum, die sich nicht nur selbst durchgesetzt und Erfolg hat, sondern sich auch für die Rechte anderer einsetzt. Ganz besonders bewundernswert ist das, weil sie zusätzlich Inderin ist.

Ein Großteil meiner Familie lebt in Indien, deshalb weiß ich, dass heutzutage viele Frauen (gerade in der Generation meiner Cousinen) Karriere machen, studieren und Berufe wie Ärztinnen oder eben Anwältinnen ausüben. Aber ich weiß auch, dass das Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern nach wie vor besteht. Das merkt Mensch zum Beispiel an den Familienkonstrukten, die noch immer gerade in den ländlichen Gegenden arrangierte Ehen vorsehen. Von Frauen wird – auch wenn sie selbst erfolgreich im Berufsleben sind – erwartet, Kinder zu bekommen und den Mann zu unterstützen. In den wohlhabenderen Familien kümmern sich Bedienstete um die Kinder und den Haushalt, sodass die Ehefrau weiter arbeiten kann.

So ist es auch in Die Teetrinkerin. Die Protagonistin hat ihre eigene Anwaltskanzlei, doch sie lebt trotzdem in einer arrangierten Ehe. Es gibt Konflikte in diesem Arrangement und die Autorin Christina Brudereck zeigt schön, wie die Protagonistin mit ihrer Verpflichtung gegenüber ihrem Ehemann und ihrer eigenen Überzeugung hadert. Trotzdem wird die Ehe grundsätzlich als liebevoll und positiv gezeichnet, was ich wichtig finde. Die indische Kultur wird respektiert, auch wenn die Probleme thematisiert werden.

Die Teetrinkerin zeigt einerseits, wie weit die feministische Bewegung gekommen ist, indem es solch starke, erfolgreiche Frauen wie die Protagonistin gibt. Andererseits zeigt das Buch aber auch, dass das Patriarchat nach wie vor besteht und dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Ich fand gerade diese Zwiespältigkeit realistisch und überzeugend.

Frauen im Kapitalismus

Noch beeindruckender fand ich in Die Teetrinkerin die Geschichten der Mandantinnen der Protagonistin. Die meisten von ihnen leiden unter miserablen Arbeitsbedingungen: Sie atmen giftige Gase ein, werden aufgrund fehlender Sicherheitsvorkehrungen bei Arbeitsunfällen verätzt oder müssen auf dem Schwarzmarkt als Leihmütter Geld verdienen. Die Firmen kümmern sich nicht um ihre Arbeiterinnen. Bei Unfällen und gesundheitlichen Folgen werden sie alleine gelassen und wenn sie versuchen, rechtlich gegen sie vorzugehen, werden sie bedroht und teilweise sogar in den Selbstmord getrieben.

Es ist eine harte Welt, in der die Mandantinnen in Die Teetrinkerin leben, aber sie haben keine andere Wahl. Wenn sie aus unteren Schichten stammen, haben sei keine Chance auf eine lukrative Heirat. Einen funktionierenden Sozialstaat gibt es nicht. Also müssen sie die Jobs nehmen, die sie bekommen, wie gefährlich sie auch sein mögen. Nur so können sie sich und ihre Familie am Leben halten.

Die Firmen, in denen sie arbeiten, wiederum produzieren Waren, die wir im Westen kaufen. Die Arbeiterinnen setzen ihre Gesundheit aufs Spiel und arbeiten unter unerträglichen Bedingungen, damit wir hier Billigware kaufen können. Vor allem die Kleidungsindustrie wird in dem Buch thematisiert. Das ist keine Fiktion, ich glaube das wissen mittlerweile die meisten. Aber wie oft denken wir beim Einkaufen darüber nach, wer diese Klamotten unter welchen Umständen produziert hat? Wenn es günstig ist, kein Fair Trade und im Label sagt Made in China, Made in India oder Made in Bangladesch, dann können wir davon ausgehen, dass die Arbeiter*innen dafür mit ihrer Ausbeutung, ihrer Gesundheit und teilweise sogar ihrem Leben bezahlt haben. Ist es das wirklich wert für ein 10€ T-Shirt?

Ich finde das Thema faire Lieferketten schon lange wichtig (siehe mein Blogpost über internationale Wirtschaftsbeziehungen), aber Die Teetrinkerin hat es mir noch mal überdeutlich vor Augen geführt. Seit der Lektüre kaufe ich keine Produkte mehr, die die entsprechenden „Made in …“ Labels aufweisen. Ich weiß, das ist auch nicht die Lösung, denn von irgendwas müssen die Menschen in den Ländern ja leben. Aber wenn wir stattdessen mehr Fair Trade kaufen, machen wir die Fair Trade Produktion attraktiver. Doch Fair Trade ist teuer und ich verstehe, dass sich das nicht jede*r leisten kann. Grundsätzlich sollten wir auch allein aus Klimagründen (siehe mein Blogpost Nachhaltigkeit in Kleinen wie im Großen) weniger und wenn dann regional konsumieren. Was allerdings auch nicht den Menschen in den asiatischen Produktionsländern hilft. Ich kenne nicht die Lösung, sorry, aber ich weiß, dass sich etwas ändern muss und das wir als Konsument*innen die Macht haben, etwas zu bewegen.

Rassismus

Rassismus wird in Die Teetrinkerin nicht explizit thematisiert. In der zweiten Hälfte des Buchs geht die Protagonistin in die USA, wo sie rassistische Verhaltensweisen erlebt, wie dass sie ständig mit einer indischen Mitarbeiterin verwechselt wird, als sähen alle indischen Frauen gleich aus.

Deutlicher geht es um Rassismus in Girl, Woman, Other. Das Buch erzählt 12 Geschichten von schwarzen Frauen in Groß-Britannien. Ich habe noch nicht alle Geschichten gelesen, aber die, die ich bisher kenne, zeigen deutlich, wie jede von ihnen Sexismus, Diskriminierung und Rassismus erlebt, wenn auch auf unterschiedliche Arten. Manche werden von Autoritätspersonen aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Hautfarbe missbraucht, andere werden nicht ernst genommen oder haben es aufgrund ihrer Herkunft schwerer, Bildung und einen Beruf zu erlangen. Wenn Frauen im Beruf erfolgreich sein wollen, müssen sie häufig doppelt so hart dafür arbeiten wie Männer. Die Frauen in Girl, woman, other müssen dreimal oder viermal so hart arbeiten, weil sie Frauen sind und BiPoC und teils auch zur LGBTQ+-Community gehören. Sie werden mehrfach diskriminiert und das zeigt, wie ungerecht unsere Gesellschaft auf vielen Ebenen ist. Und ja, auch das ist keine Fiktion, sondern leider sehr realistisch.

Für Rechte und Werte einstehen

Sowohl Girl, Woman, Other als auch Die Teetrinkerin stellen Figuren ins Zentrum, die für ihre Rechte und Werte einstehen. Wir leben in einer Welt, in der wir für Rechte kämpfen müssen – unsere eigenen, aber auch die von anderen Personen. Ich finde, das zeigen beide Bücher sehr schön und sie haben tolle, starke Figuren, die inspirieren und motivieren.

In Girl, Woman, Other gibt es zum Beispiel eine Schauspielerin, die sich weigert, in Theaterstücken mitzuspielen, die rassistisch oder sexistisch sind, auch wenn das ihre eigene Karriere abbremst. In Die Teetrinkerin muss die Protagonistin sogar gegen ihren eigenen Mann kämpfen, der eine Teeplantage hat, auf der die Arbeiterinnen ebenfalls unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden. Ich finde, die Bücher zeigen, dass für Rechte und Werte einzustehen und zu kämpfen, bedeutet, dass man Probleme, Nachteile und Gefahren auf sich nehmen muss. Aber auch dass es sich lohnt, denn nur auf diesem Weg können wir hoffentlich irgendwann in einer Welt leben, die weniger sexistisch, rassistisch und sozial ungerecht ist.

Kennt ihr Die Teetrinkerin und/oder Girl, Women, Other (auf Deutsch: Frau, Mädchen, etc.)? Ich kann beide Bücher empfehlen. Die Teetrinkerin fand ich eher aufbauend, während Girl, Woman, Other für mich harte Lektüre ist. Aber beide Bücher sind wichtig. Welche Bücher über Sexismus, Rassismus und soziale Ungleichheit kennt ihr noch? Glaubt ihr, wir können die Gesellschaft gerechter gestalten und wenn ja, wie? Seid ihr auch beim #femtember dabei? Dann lasst mir gerne eure Links in den Kommentaren. Mein voriger #femtember Post war zum Thema Feminismus und Erotik.

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6 Kommentare

  1. Nico aus dem Buchwinkel sagt:

    Hey Sunita =)

    von der Teetrinkerin habe ich bisher noch gar nichts gehört… So wie du das Buch beschreibst, hört es sich aber total gut an und behandelt viele wichtige und spannende Themen. Das wandert auf jeden Fall auf meine Leseliste, vielen Dank für den Hinweis! =)

    Liebe Grüße,
    Nico

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