Disclaimer: Ich arbeite für den Verlag, der dieses Buch herausgibt. Die Meinungen auf diesem Blog sind aber meine eigenen ehrlichen Einschätzungen.
Genre: Sachbuch | Erscheinungsjahr: 2020 | Hardcover: 320 Seiten | Verlag: Hirzel Verlag |Originalsprache: Deutsch | ISBN: 978-3777628851

Kurzinhalt
In Vögel im Kopf berichten ehemalige Patient*innen der Kinder- und Jugendpsychiatrie von ihren Klinikaufenthalten, was sie dorthin gebracht hat und wie es ihnen danach erging. Auch Angehörige und Mitarbeiter*innen kommen zu Wort.
Eigene Meinung
Vögel im Kopf habe ich schon vor Monaten gelesen – in meinen Mittagspausen, was häufig dazu geführt hat, dass ich mich kaum losreißen konnte, weil es so fesselnd war -, möchte es aber nun doch noch einmal hier vorstellen, weil es einfach ein tief bewegendes Buch ist, an das ich immer noch ständig denken muss.
Es ist kein einfaches Buch zu lesen. Die Autor*innen erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen mit psychischen Krankheiten und Psychiatrieaufenthalten. Die Geschichten sind hart, aufwühlend, berührend und vor allem sind sie echt. Dass die Autor*innen hier ihre schlimmsten Momente, aber auch ihre Momente der Hoffnung und Besserung, für alle festhalten, braucht sicher eine Menge Mut und es ist diese Authentizität, die das Buch ausmacht.
Aber auch auf rein literarischer Ebene hat das Buch was zu bieten. Dafür dass es sich hier nicht um professionelle Autor*innen handelt, war ich positiv überrascht, wie literarisch hochwertig das Buch doch ist. Es geht unter die Haut und das liegt auch daran, wie diese Menschen sich ausdrücken können. Ich finde es beeindruckend, wie selbstreflektiert sie sind – vielleicht ist das etwas, dass man durch jahrelange Therapiesitzungen lernt, aber auch einfach, wie gut sie schreiben können. In der Pressekonferenz zum Buch erzählten die Mitwirkenden, dass Schreiben und andere kreative Beschäftigungen in der Psychiatrie gefördert werden und es entstand eine Unterhaltung darüber, ob das Schreiben besser wird, wenn man solche schwierigen Erfahrungen gemacht hat. Als Schriftstellerin fand ich das sehr interessant. Es ist ja kein Geheimnis, dass viele erfolgreiche Künstler*innen jeder Art mit inneren Dämonen kämpfen. Aber es gibt auch Gegenbeispiele. Ich denke, dass Schreiben der Psyche hilft und dass die Psyche eine bestimmte Art des Schreibens begünstigt. Aber ich glaube nicht, dass man psychische Probleme haben muss, um gut schreiben zu können – das ist dann doch zu verallgemeinert.
Einen anderen interessanten Aspekt hat einer der Herausgeber*innen, Gottfried-Maria Barth, der selbst Arzt in der Psychiatrie ist, wiederum bei der Buchpremiere angesprochen: Viele seiner Patient*innen haben große Schwierigkeiten, die Nachrichten aus der Welt zu verkraften, sie nehmen sie extrem mit. Aber ist das wirklich so verrückt? Vielleicht ist diese „extreme“ Reaktion nur eine angemessene Reaktion auf eine extreme Masse an schlechten Nachrichten. Vielleicht sind wir „gesunde“ Menschen nicht normal, weil wir das so einfach wegstecken und weitermachen können. Ähnliches dachte ich mir oft bei der Lektüre. Als ich von den teils katastrophalen Familienhintergründen der Autor*innen gelesen habe, dachte ich mir: Dabei eine psychische Störung zu entwickeln ist eine extrem nachvollziehbare Reaktion auf die Umstände.
Wie ihr seht, regt Vögel im Kopf definitiv zum Nachdenken an und auch dazu, Menschen mit psychischen Krankheiten anders wahrzunehmen und besser nachvollziehen zu können. Allen voran zeigt es, dass sie eben nur Menschen sind. Sie waren in der Psychiatrie, sind in psychologischer Behandlung, aber sie sind einfach nur Leute mit Ängsten und Sorgen, aber auch mit Freude und Hoffnung und Hobbies und Leidenschaft und dem Wunsch, ein glückliches Leben zu führen. Deshalb finde ich, dass Vögel im Kopf einen tollen Beitrag leistet, um gegen die Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken. Ich kann euch das Buch nur wärmstens empfehlen.
Bewertung
++++ – Vier von fünf Punkten
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